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Geschichte aus dem Engadin

Meine Freundin Ulrike liebt Bulldoggen! Die englischen und am allerliebsten die breiten, flachen mit den sehr zerknautschten Gesichtern. Englische Bulldoggen machen solange sie gesund sind keinen Stress. Spaziergänge mit Ulrike und ihren Bulldoggen waren für mich nur möglich, wenn meine Setterhündin und die Terrier vorab schon zwei Stunden extra laufen waren. Ansonsten unterschied sich die Grundgeschwindigkeit zu sehr. Etwa so als würde ein Porschefahrer mit einem Traktorfahrer gemeinsam über die Alpen in den Urlaub fahren.

„Tiger“ ihr damaliger, stattlicher Rüde legte 80 Meter in 45 Minuten zurück. Dabei schaffte er es ca. 90 x zu pinkeln und sich an 110 Duftmarken unlösbar festzusaugen.

Nun kam im örtlichen Tierheim eine gestrohmte ca. 4 Monate alte Bulldogge an. Ein Findelkind von der Autobahn. Da in diesem Provinztierheim niemand diesen Hund einschätzen konnte und der Verdacht bestand, dass es sich hier auch um eine besondere „Kampfhundeart“ handeln könnte wurde Ulrike sozusagen als Sachverständige um ihre Meinung gebeten.

Es war natürlich Liebe auf den ersten Blick und Pauline das „Old English Bulldog“ Mädchen erweiterte Ulis Familie.

Im schweizerischen Engadin führt ein Teil von Ulrikes Familie ein Hotel. So versteht es sich, dass die Familie Weihnachten und andere Familienfeste gerne im Engadin verbringt. Der Großvater war ein passionierter Jäger, der gerne mit seinem Drahthaar zur Jagd ging und nachmittags die Hunde spazieren führte. Im ganzen Engadin ein höchst angesehener Mann.

Eines Tages kehrte er aufgeregt ohne Hunde von einem dieser Spaziergänge zurück. Diese wurden nur wenig später von der örtlichen Gendarmerie ans Hotel chauffiert. Der sehr aufgebrachte schweizer Beamte erklärte wie er durch sein Fernrohr eine wilde Jagd dreier Hunde miterleben durfte. Also quasi eine Wilderei! Dadurch wird selbstverständlich ein sofort zu bezahlendes Bußgeld fällig, welches sich in der Staffelung seiner genauen Beobachtung der Vergehen bezog.

Der Dackel der Großmutter wurde aufgrund des hohen Abstands zum Wild mit 50,- CHF belegt, der Drahthaar des Großvater war länger am Hasen und laut jagend was sich auf 150 CHF belief. Seufzend zückte der Großvater sein Portemonnaie, bereit die Schuld zu begleichen. Als Jagdhundehalter kennt man diese kleinen Schwierigkeiten wenn man einmal zu unkonzentriert auf einem Spaziergang war.

Doch nun holte der schweizer Gendarm seinen Block hervor, zeigte auf die zu Großvaters Füßen liegende Pauline und verlas im Beamtenton: „Aufstöbern eines Hasen, wilde Hasenhetze über sicherlich hundert Meter, Suche des nun nicht mehr sichtigen Hasen auch im Terassenbereich der Hütte, Wiederaufnahme der Hasenspur und Ausarbeitung dieser quer über zwei Skipisten.“ Dabei kamen angeblich mehrere Liegestühle der Terrasse und leider auch einige Skifahrer in Unordnung, woraus sich eine Strafe von 500,- CHF ergab.

Mit offenem Mund schloss der Großvater seine Börse, starrte ungläubig auf die zu seinen Füßen ruhende Pauline und meinte einen sehr zufriedenen Ausdruck in ihrem Gesicht zu sehen.

„Herr Gendarm, sie müssen sich irren! Dies ist eine englische Bulldogge, keinesfalls ein Jagdhund, der zu solch verwegenen Taten fähig wäre. Wahrscheinlich haben sie die Hunde verwechselt und ein Touristenhund hat für diese Verwirrung gesorgt.“

Doch alles Reden nutze nichts. Der schweizer Ordnungshüter war sich seiner Sache sicher. Und so stellen wir fest, dass vor dem Schweizer Gesetz alle gleich sind und Bulldoggen sehr teure Jagdhunde sein können.

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